Am heutigen Reisetag werden wir uns, wie bereits an den Tagen 4 und 9, in der näheren Umgebung um Kyōto aufhalten und dabei auch die (sehr) alte Hauptstadt Nara abseits der Shinkansen-Hauptstrecke besuchen. Im Vordergrund des Tagesprogramms stehen also erneut einige historisch und religiös bedeutsame Orte, die sich (wie so oft in Japan) sehr einfach mit der Bahn erreichen lassen 😉



Die Nara Line hatten wir auf dem Abschnitt zwischen Kyōto und dem nächsten Halt Tōfukuji bereits an Tag 4 genutzt. Heute fahren wir eine Station weiter bis Inari. Der Haltepunkt Inrai liegt direkt vor dem Eingang des Fushimi Inari-Taisha, dem meistbesuchten Shintō-Schrein in Japan. Entsprechend groß ist der Trubel am Bahnsteig beim Ausstieg. In Inari steigen weit über 200 Personen aus dem Nahverkehrszug aus, der anschließend fast leer weiter fährt. Die meisten der Aussteiger sind japanische oder ausländische Touristen. Viele von ihnen fahren offensichtlich nicht oft mit dem Zug, denn das Auschecken an der Bahnsteigsperre dauert trotz Unterstützung durch mehrere Bahnangestellte ziemlich lange. Dazu kommt noch ein anderes Problem: Direkt vor dem Bahnhof verläuft eine einstreifige Einbahnstraße und auf der anderen Straßenseite steht das erste große Torii des Schreins – ein beliebtes Fotomotiv. Um es gut aufnehmen zu können, müssen Besucher neben dem Bahnhof stehen bleiben. Dadurch stauen sie aber nachfolgende Fahrgäste hinter sich auf und irritieren zudem die Autofahrer, die nicht wissen, ob die fotografierenden Fußgänger gerade den Zebra-Streifen vor dem Bahnhof queren möchten oder nicht. Kurzum: Vor dem Bahnhof herrscht nach Ankunft eines Zuges aus Kyōto für mehrere Minuten ein ziemliches Verkehrschaos.



Der Schrein ist der Shintō-Gottheit der Landwirtschaft, Inari, gewidmet. Sie wird heute auch als Schutzpatronin für verwandte Lebensbereiche wie Industrie, Handel und Wohlstand angesehen. Ihr irdischer Bote ist der Fuchs. Daher finden sich auf dem Gelände des Schreins viele steinerne Fuchs-Statuen, fast alle davon wie auf dem Tor in Bild 12-5 mit einem roten Lätzchen.


Bei den tausenden Torii des Fushimi Inari handelt es sich um Spenden von Unternehmen und (vermögenden) Privatleuten. Die meisten Spender haben bergseitig Inschriften mit Name und Anschrift bzw. Herkunft auf ihren Torii hinterlassen. Die Inschriften sind nur auf dem Abstieg oder bei einem Blick zurück nach unten lesbar, denn die Talseite der Torii ist meist lediglich mit zwei einzelnen Kanji beschriftet. Der Weg durch die tausenden Torii (jap. „sen-bon torii“, „sen“ ist das Wort für „tausend“ und „bon“ als Umlautform von „hon“ ein Zählwort wie etwa dt. „Stück“) führt kontinuierlich bergauf auf den Mount Inari. Rund 2 Kilometer und 200 Höhenmeter müssen Besucher vom Rōmon bis zum Gipfel des Berges zurück legen – die meisten drehen schon eher an einem der vielen Unterschreine entlang des Weges oder an der Yotsuji-Kreuzung auf halbem Weg um.



Manche Quelle behauptet, in dem Unterschrein auf dem ersten Gipfel liege das „Heiligste“ des Fushimi Inrai-Taisha öffentlich aus. Das Heiligste eines Shintō-Schreins ist meist eine Reliquie (in diesem Fall ein Spiegel), die in der Regel in der Haupthalle des Schreins nicht öffentlich einsehbar verwahrt wird. Im Rahmen der Recherche habe ich allerdings keine belastbare Quelle gefunden – insbesondere keine japanisch-sprachige – welche die Behauptung mit dem Spiegel auf dem ersten Gipfel bestätigt. Nachgesehen habe ich vor Ort auch nicht. Somit ist an dieser Stelle keine sichere Aussage möglich, ob im Unterschrein des ersten Gipfels wirklich das Heiligste des Schreins verwahrt wird. Falls nicht, handelt es sich hier „einfach nur“ um einen der vielen Unterschreine des Fushimi Inari-Taisha, die verschiedenen Kami (sehr vereinfacht erklärt: „Naturgeistern“ bzw. „göttlichen Wesen“) gewidmet sind.
Der Weg um den Gipfel ist ein Rundweg, der an der Yotsuji-Kreuzung beginnt und wieder endet. Der Abstieg führt uns also erneut an der Kreuzung vorbei und dann über einen schwächer besuchten Seitenweg mit weniger vielen Torii zurück zu den Hauptgebäuden des Schreins.


Der Schrein, dessen Besuch keinen Eintritt kostet, ist gerade tagsüber recht überlaufen. Da es keine Schließzeit gibt, empfehlen viele Reiseführer einen Besuch in den frühen Morgenstunden zwischen ca. 6 und 8 Uhr. Nach unserer heutigen Erfahrung ist der Besuch auch zwischen 8 und 10 Uhr noch komfortabel möglich, danach wird es aber, wie in Bild 12-13 dargestellt, etwas enger.
Vor dem Bahnhof Inari kommt der Straßenverkehr gegen 9:55 erneut zum Erliegen, da vor 5 Minuten ein Zug des 15-Minuten-Takts aus Kyōto angekommen ist. Auf der Straße hat sich inzwischen hinter dem Zebra-Streifen ein erheblicher Rückstau gebildet und auch für uns wird es schwierig, entgegen des Stroms einen Weg in den Bahnhof zu finden. Trotzdem stehen wir überpünktlich um 10:00 am Bahnsteig und können mit dem nächsten Local in Richtung Nara weiterfahren.

Den Local nutzen wir bis Uji, einer Stadt auf halber Strecke zwischen Kyōto und Nara, die der Zug pünktlich um 10:22 erreicht. Eigentlich sollte der Local hier nun von einem Rapid mit bahnsteiggleichem Anschluss überholt werden, der dem Local kurz vor Uji im Blockabstand folgt. Eigentlich! Heute aber fehlt von dem Rapid jede Spur. Auch in der Gegenrichtung läuft es nicht rund, denn der Local nach Kyōto mit planmäßiger Abfahrt um 10:22 steht beharrlich vor dem Fahrt zeigenden Ausfahrsignal. Anscheinend geht im Moment nicht mehr viel auf der Nara Line…
Nach wenigen Minuten verlassen die ersten Reisenden die Züge und setzen ihre Reise zu Fuß fort. Offenbar gibt es also eine länger andauernde Betriebsstörung. Die Webseite von JR West klärt auf: Gegen 10:05 ist ein LKW mit Ausleger an einer Brücke zwischen Kyōto und Tōfukuji hängen geblieben. Unser Zug war der letzte, der kurz vor Beginn der Störung noch durchgekommen ist. Die Strecke ist in Folge des Unfalls nun zur Untersuchung des Bauwerkzustands gesperrt. Soweit so verständlich. Mit „die Strecke ist gesperrt“ meint JR West allerdings die gesamte Nara Line von Kyōto bis zum Bahnhof Kizu kurz vor Nara, an dem die Nara Line in die Kansai Main Line über geht. Auf 35 km Strecke ruht nun der Betrieb, da der erste Kilometer von Kyōto nach Tōfukuji nicht befahrbar ist. JR West verweist Fahrgäste auf die teils parallel verlaufenden Strecken privater Bahngesellschaften.
Leider zeigt dieser Fall eine der wenigen Schwachstellen der japanischen Eisenbahn: fehlende Flexibilität bei Störfällen! Die Eisenbahnunternehmen investieren viel in die Vermeidung von Störungen durch hohe Wartungsausgaben und Sicherheitsmaßnahmen wie Bahnsteigtüren und Einzäunungen. Der Betrieb ist also recht robust gegenüber Störeinflüssen. Er ist allerdings nicht besonders resilient. In Störfällen, die gerade aufgrund externer Ursachen wie dieser nicht ganz vermeidbar sind, fehlt die Möglichkeit, durch dispositive Maßnahmen trotzdem soweit als möglich den Betrieb aufrecht zu erhalten. Statt Personal- und Fahrzeugumläufe umzudisponieren, um in diesem Fall z. B. einen Teilbetrieb zwischen Nara und Uji zu realisieren, wird der Betrieb einer Strecke für die Dauer der Störung ganz eingestellt. Es sei aber, gerade in diesem Fall, dazu erwähnt, dass auch die Infrastruktur solche Maßnahmen oft verhindert. Die Nara Line ist z. B. zwischen Kyōto und Jōyō bei Kilometer 20 zweigleisig mit nur einem einzigen Bahnhof dazwischen in Uji (Kilometer 15). Dort ist für das Wenden nur aus und in Richtung Kyōto eine Weichenverbindung mit gesicherten Fahrstraßen vorhanden, nicht aber aus und in Richtung Nara. Auch in Jōyō wenden planmäßig keine Züge aus Richtung Nara. Diese Umstände erschweren, ebenso wie die notwendige Disposition, die Einrichtung eines Teilbetriebs.
Wir sind von der Störung aber glücklicherweise nicht betroffen, da wir es mit dem letzten durchfahrenden Zug noch hierher geschafft haben. In Uji besuchen wir den Byōdō-in, einen buddhistischen Tempel, der um dieses zentrale Gebäude entstanden ist:

Die Geschichte der Phoenix-Halle reicht über 1.000 Jahre zurück. Angelegt als Landsitz eines Adligen, wurde sie später zu einem buddhistischen Tempel ausgebaut und beherbergt seit dem eine große Buddha-Statue. Den Namen hat die Halle von ihrer Gestalt als Gebäude mit zwei langen symmetrischen Flügeln. Auf ihrem Dach stehen zudem zwei goldene Phoenix-Statuen. Die Halle wurde im Laufe der Jahre zeitweise bei kriegerischen Konflikten beschädigt und später wieder restauriert. Aufgrund ihrer langen Geschichte und kulturellen Bedeutung prägt die Frontansicht der Halle heute die Rückseite der 10-Yen-Münze.

Der Zugang zur Tempelanlage kostet 700 Yen (4,40 €), beinhaltet aber auch den Eintritt zu einem Museum, in dem eine beachtliche Sammlung an Artefakten und Kunstwerken des Tempels präsentiert wird, z. B. die originale Glocke aus dem 10. Jahrhundert und frühere Versionen der kleinen Phoenix-Statuen auf dem Dach. Davon gibt es an dieser Stelle aber keine Bilder, da das Fotografieren im Museum verboten ist. Eine Führung durch die Phoenix-Halle kostet allerdings zusätzlich und wird nur auf Japanisch angeboten, sodass wir darauf verzichten.


Die Betriebsstörung auf der Nara Line ist inzwischen beendet. Laut JR West wurde der Betrieb um 10:45 wieder aufgenommen, nachdem die Untersuchung der Brücke keine ernsthaften Schäden ergeben hat.


Dass die Störung aber über den gesamten Betriebstag nachwirkt, werden wir später noch sehen…
Uji hat seinen Weg in die Tagesplanung eigentlich noch über eine andere Attraktion gefunden: Im Herbst 2024 hat Nintendo in Uji, genauer im Stadtteil Ogura, ein Museum eröffnet. Als langjähriger Nintendo-Spieler – es begann nach der Grundschule mit meinem ersten Nintendo DS Lite – ist das Museum natürlich für mich interessant. Allerdings ist der Eintritt mit 3.300 Yen (20,65 €) ganz schön teuer, denn für das Geld wird effektiv nur eine kleine Ausstellung von Konsolen und Spielen geboten sowie die Möglichkeit, ein paar alte Nintendo-Spiele zu probieren. In der Reisevorbereitung habe ich lange überlegt, ob sich der Besuch lohnt oder nicht. Am Ende habe ich mich dazu entschieden, das nicht selbst entscheiden zu müssen, denn das tut das Los für mich 😉 Das Museum ist neu und der Andrang groß, sodass die Vergabe der Eintrittskarten über ein Losverfahren erfolgt. 3 Monate vor dem Besuchsmonat können bis zu 3 Terminwünsche innerhalb des Besuchsmonats abgegeben werden. 2 Monate vor dem Besuchsmonat erfolgt dann die Ziehung. Dabei gehe ich für den Mai 2025 in der Ziehung Anfang März leer aus. Der Restkartenverkauf ist für diesen Monat auch nicht ergiebig, sodass wir die Idee mit dem Museum verwerfen.
Was nun? Wir könnten natürlich gleich nach Nara weiterfahren, das wäre geografisch sinnvoll. Allerdings ist es mir in der hohen Mittagssonne dafür noch zu früh. Daher greife ich für die Mittagszeit eine andere Idee wieder auf: Den Kyōto Tower am Bahnhof Kyōto! Ja, Aussichtstürme besichtige ich offenbar sehr gerne 😉 Deshalb fahren wir jetzt zurück nach Kyōto und damit es nicht langweilig wird, nutzen wir dafür die Privatbahn.


Über die Keihan-Strecke könnten wir nun bis ins Stadtgebiet von Kyōto durchfahren. Die Keihan Main Line kommt aber nicht am Hauptbahnhof vorbei, sondern verläuft im Osten der Stadt als unterirdische Nord-Süd-Linie. Daher wir verlassen bereits nach einer Station in Tambabashi den Limited Express. Der Keihan-Bahnhof Tambabashi liegt direkt neben dem Kintetsu-Bahnhof Kintetsu-Tambabashi. Beide Bahnhöfe sind durch eine Überführung direkt miteinander verbunden. Es bietet sich an dieser Stelle also ein Umstieg zur Kintetsu Kyōto Line an, die direkt im Hauptbahnhof von Kyōto endet.

Der Express hält bis Kyōto noch zweimal: Erst in Takeda, dem Endbahnhof der Kyōto City Subway Karasuma Line, und dann in Tō-ji nahe dem gleichnamigen Tempel mit seiner herausragenden Pagode (sichtbar in Bild 4-47). In Takeda gehen, wie an Tag 4 bereits ausgeführt, einige Züge von Kintetsu auf die Kyōto City Subway über. Reisende in Tambabashi sollten also auf das Fahrtziel des Zuges achten, wobei die Karasuma Line ebenfalls am Hauptbahnhof Kyōto vorbei kommt.

Der Kyōto Tower befindet sich – kaum übersehbar – direkt nördlich des Bahnhofsgebäudes auf der anderen Straßenseite.

Der Turm wurde 1964 im Rahmen der Olympischen Sommerspiele in Tōkyō gebaut, allerdings erst kurz vor Jahresende (und damit zu spät für die Besucher der Wettkämpfe) eröffnet. Sein Bau war umstritten, da der futuristisch wirkende Turm als höchstes Gebäude der Stadt einen starken Kontrast zu den vielen historischen Gebäuden im kulturellen Zentrum des Landes darstellt. Die Besucherzahlen entwickelten sich auch nicht wie erhofft; der Turm bleibt bis heute hinter den Erwartungen zurück. Möglicherweise liegt das an der recht geringen Höhe der Aussichtsplattform auf „nur“ 100 Metern, durch die der Ausblick weniger spektakulär ist als in anderen Observatorien des Landes. Davon möchten wir uns aber nicht abschrecken lassen und machen uns lieber selbst ein Bild davon.




In der Tat ist die Aussicht nicht schlecht, aber auch nicht herausragend spektakulär, da man in erster Linie (wie zu erwarten war) das nahe endlose Häusermeer der Stadt und nicht deren kulturelle Schätze sieht. Ob der Besuch die 900 Yen (5,65 €) Wert ist oder nicht, sei der individuellen Beurteilung überlassen. Für einen Fuzzy kann sich die Aussicht auf die dichte Zugfolge des Tōkaidō Shinkansen durchaus lohnen 😉
Die Wartezeit auf den nächsten Zug nach Nara verbringen wir im ebenso futuristisch anmutenden Bahnhofgebäude von Kyōto. Tradition und Moderne in einer Stadt dicht beisammen, so stellt man sich als Tourist japanische Vielfalt vor 😉





Nun ist es Zeit für die Weiterfahrt nach Nara. Zwischen Kyōto und Nara konkurrieren JR West und Kintetsu um Fahrgäste. Während Kintetsu direkte Limited Express auf Fernverkehrsniveau mit einer Reisezeit von rund 35 Minuten anbietet, hält JR West mit dem Rapid Miyakoji, einem schnellen Regionalzug, dagegen. Preislich liegt der JR-Zug im Vorteil, dafür dauert die Reise mit dem Rapid Miyakoji 10 Minuten länger. Der Miyakoji wird mit 6-teiligen Nahverkehrstriebwagen der Baureihe 221 gefahren. Um den Reisenden trotzdem eine Sitzplatzgarantie zu ermöglichen, sind einige Sitzplätze in einem Wagen reservierungspflichtig und nur gegen Aufpreis nutzbar. Eine solche Reservierung ist übrigens auch mit dem Japan Rail Pass kostenlos erhältlich. Einige Minuten vor der Abfahrt gehen wir zum Gleis – und trauen unseren Augen kaum:

Tatsächlich steht statt des planmäßigen 221 mit 6 Wagen ein vierteiliger 205 am Bahnsteig. In Folge der Störung am Vormittag sind laut JR West zwei Fahrten des Rapid Miyakoji in südlicher Richtung, aber nur eine Fahrt in nördlicher Richtung entfallen. Demnach fehlte gegen 11:00 ein Triebwagen der Baureihe 221 in Kyōto und der 205 wurde als Ersatzfahrzeug in den Umlauf eingeschert. Darauf soll er laut Webseite der JR West wohl auch bis Tagesende bleiben (obwohl er in Kyōto und Nara im Tagesverlauf mehrfach einem 221 gegenüber steht…), denn den Inhabern einer kostenpflichtigen Reservierung auf den betroffenen Fahrten wird eine kostenfreie Rückerstattung der Platzkarten angeboten.

Nun gut, die Sitzbänke sind ordentlich gepolstert und an sich schon bequem. Die Fahrzeit bis Nara lässt sich darauf gut aushalten. Sorge sollte JR West eher die mangelnde Kapazität des 4-Teilers bereiten. Jetzt gegen 14:00 ist der Zug noch mäßig ausgelastet und alle Fahrgäste können sitzen. Zur HVZ später könnte es aber eng werden…

Der JR-Bahnhof von Nara bietet gegenüber dem Kintetsu-Bahnhof leider einen entscheidenden Nachteil: Er liegt deutlich weiter vom kulturellen Stadtzentrum um den Nara Park entfernt und damit nicht in Laufweite. Vor dem Bahnhof verkehren deshalb Stadtbusse verschiedener Linien, die sich auf der zentralen Achse vom JR-Bahnhof über den Kintetsu-Bahnhof zum Nara Park zu einem dichten Takt ergänzen. Wir nutzen einen Bus der Linie 62, die am JR-Bahnhof beginnt (und entsprechend leer ist). Mit dem Bus, der zu dieser Tageszeit noch zügig im Stadtverkehr voran kommt, fahren wir bis zur Haltestelle Tōdaiji daibutsuden am Rande des Nara Parks.

Der Name der Bushaltestelle verrät bereits: Wir nähern uns dem Tempel Tōdai-ji mit Halle des Großen Buddha („daibutsuden“ – „dai“ steht dabei für „groß“, „butsu“ für „Buddha“ und „den“ in etwa für „Halle“). „Tōdai-ji“ bedeutet wiederum „großer Tempel des Ostens“, wobei die Silbe „Tō“ am Anfang hier gleich verwendet wird wie im Namen der Hauptstadt „Tōkyō“ („östliche Hauptstadt“). Nara war selbst im 8. Jahrhundert für einige Jahrzehnte Hauptstadt Japans. In dieser Zeit wurde der große Tempel errichtet.

In der Halle mit dem schwarzen Dach steht eine 15 Meter hohe Buddha-Statue. Für 800 Yen (5,00 €) können Besucher die Statue sowie ein zugehöriges Museum besichtigen. Auf diese Ehre verzichten wir jedoch nach dem bereits sehr erlebnisreichen Tagesprogramm uns sehen uns statt dessen weiter auf dem Außengelände des Tempels um.



Die Panorama-Terrasse in Bild 12-41 steht zwar ohne Gebühr für Besucher offen; ganz in der Nähe kann man jedoch einen noch besseren Ausblick auf die Stadt Nara erhaschen. An das Gelände des Tempels schließt ein Hügel, der Wakakusayama, an. Der Berg, dessen Name in etwa junges („waka“) Gras („kusa“) bedeutet, ist weitgehend von höherer Vegetation befreit und nur durch eine Wiese bedeckt.


Da Teile des Hügels offensichtlich einer regelmäßigen Grünpflege bedürfen, wird von Besuchern ein kleines Eintrittsgeld von 150 Yen (95 Cent) erhoben. Das ist aber nicht der eigentliche Grund für die fehlende größere Bewaldung auf Teilflächen des Berges: Jedes Jahr im Januar wird das tote Gras des Hügels im Rahmen eines großen Festivals mit dem Namen „Yamayaki“ verbrannt („yama“ bedeutet Berg und „yaki“ ist eine Verbform von „brennen“ bzw. „verbrennen“). Dadurch kann in der nächsten Vegetationsperiode neues Gras an dessen Stelle wachsen.



Der Zugang zum Hügel liegt allerdings schon auf rund 140 m ü. N. N., sodass wir für die Besteigung des Mount Wakakusa die gleiche Höhendifferenz überwinden mussten wie breites am Vormittag am Mount Inari.



Gegen 16:50 finden wir uns wieder an der Bushaltestelle Tōdaiji daibutsuden ein und sind damit nicht alleine. An der Halteposition steht schon eine lange Schlange an Fahrgästen, in die wir uns ordnungsgemäß einreihen. Der Andrang scheint hier zur Hauptabreisezeit der Touristen so groß, dass Mitarbeiter des örtlichen Busunternehmens an der Haltestelle für Ordnung sorgen. Zudem weisen Schilder explizit darauf hin, dass jeder Bus, der hier abfährt, am Kintetsu-Bahnhof und am JR-Bahnhof hält. Der erste Bus, der an der Haltestelle vorfährt, ist ein gelber Bus der Linie 1. Anders als bei den meisten Linien des Stadtbus Nara steigen Fahrgäste in die gelben Busse vorne beim Fahrer ein und zahlen den pauschalen Fahrpreis (bar oder mit IC-Card) beim Einstieg. Die Linie 1 nimmt sehr viele der wartenden Fahrgäste mit. Wir warten aber lieber noch kurz auf den nächsten Bus, da die 1 schon ziemlich voll ist. Kaum fährt der gelbe Bus los, hält direkt danach ein „normaler“ grün-weißer Bus der Linie 78 mit dem in Japan üblichen Einstieg hinten und Ausstieg einschließlich Bezahlung vorne beim Fahrer. Wir stehen nun an vorderster Position in der Warteschlange und können uns so gemütlich einen Sitzplatz sichern. Die Fahrt zum Bahnhof im abendlichen Berufsverkehr ohne ÖPNV-Bevorrechtigungen an den Ampeln zieht sich. Dank 6 Minuten Fahrzeitreserve vor dem letzten Halt am JR-Bahnhof kann der Bus die planmäßige Fahrzeitvorgabe von 12 Minuten aber trotzdem einhalten.


Um 17:25 nehmen wir den Sub-Rapid der Kansai Main Line, die auf diesem Abschnitt auch Yamatoji Line genannt wird, nach Ōsaka. „Sub-Rapid“ ist eine etwas ungenaue Übersetzung der Zuggattung; „Section Rapid“ wäre meiner Meinung nach treffender. Der Sub-Rapid hält nämlich von Nara bis zum Zwischenhalt in Ōji an allen Stationen und fährt dann mit nur noch einem einzigen Halt in Kyūhōji, dem Endpunkt der Ōsaka Higashi Line, durch bis Tennōji (Ankunft um 18:01). In Tennōji wird der Zug zum Local der Ōsaka Loop Line und fährt eine Runde über den kompletten Ring, bevor er um 18:49 erneut in Tennōji ankommt und dort endet. Unsere Fahrt verläuft bis Kyūhōji gewohnt reibungslos. Auf dem letzten Abschnitt zwischen Kyūhōji und Tennōji staut es sich allerdings zurück, sodass wir Tennōji nur knapp noch mit 5 Minuten Verspätung (und damit nach DB-Definition gerade so pünktlich) erreichen.

Natürlich hätten wir mit dem Sub-Rapid bis zum Bahnhof Ōsaka durchfahren können. Die Ōsaka Loop Line kennen wir aber bereits und die Stichstrecke zum Bahnhof JR Namba fehlt uns noch auf der Streckenkarte. Deshalb fahren wir mit dem Local nun dort hin 🙂 An vielen Orten in Japan ist es üblich, dass benachbarte Bahnhöfe gleichen Namens, aber verschiedener Bahngesellschaften, einen vorangestellten Namenszusatz des Stationsbetreibers tragen. Das haben wir heute z. B. in Kintetsu-Tambabashi bereits gesehen. An einigen Stationen führt diese Logik sogar so weit, dass es zwar einen JR-Bahnhof gibt, der Bahnhof ohne Namenszusatz allerdings nicht von der JR-Bahn (sondern einer Privatbahn) betrieben wird. In Namba ist das der Fall. Hier gehört der Bahnhof, der nur „Namba“ heißt, dem Unternehmen Nankai. An Tag 1 sind wir dort vom Flughafen angekommen. Der Kintetsu-Bahnhof heißt Ōsaka-Namba. Zur Abgrenzung davon trägt der JR-Bahnhof „Namba“ den Namen „JR Namba“. Die Abkürzung „JR“ wird auf den meisten Schildern in lateinischer Schrift geschrieben und auch in Englisch (mit japanischem Akzent) ausgesprochen, obwohl jede JR-Bahn auch einen japanischen Namen trägt. Der Bahnhof JR Namba ist an die große unterirdische Passage des Stadtteils Namba angebunden. Auf Bild 1-26 befindet er sich an Stelle des blauen A.

Aktuell ist JR Namba ein Kopfbahnhof, der über die als Stichstrecke ausgeführte Kansai Main Line vom Bahnhof Shin-Imamiya bzw. Tennōji an der Ōsaka Loop Line erreicht wird. In Zukunft soll die Naniwasuji Line, eine neue Tunnelstrecke unter der namensgebenden Straße, die Kansai Main Line bis zu den vor zwei Jahren eröffneten unterirdischen Gleisen des Hauptbahnhofs Ōsaka verlängern. Die neue Strecke soll zudem im Süden auch an die Nankai Main Line angeschlossen werden und damit der Nankai Railway durchgehenden Zugverkehr zum Hauptbahnhof ermöglichen. Aktuell ist die Eröffnung der neuen Nord-Süd-Strecke zum Fahrplanwechsel im März 2031 vorgesehen.


Die Yotsubashi Line endet an der Station Nishi-Umeda in der Nähe des Hauptbahnhofs und ist in die dortige unterirdische Passage intergiert. So sind wir 10 Minuten später wieder in unserem Hotel und erholen uns von den vielen Schritten und Höhenmetern des Tages. Am nächsten Tag werden wir die japanischen Hauptinsel besuchen, die wohl von den meisten Touristen links liegen gelassen wird: Shikoku. Abseits der Shinkansen bietet diese eher unbekannte Insel für den Fuzzy noch ein wahres Dieselparadies 🙂
Fortsetzung folgt…