Die zweite Hälfte der Reise bricht an und wir befinden wir uns nur noch wenige Meter vom äußersten Punkt im Reiseverlauf entfernt. Heute möchte ich erstmals auf dem Landweg nach Spanien in die Grenzstadt Irún einreisen. So beginnt der Tag mit einer Busfahrt zum Bahnhof bzw. genauer zum Bahnhofsvorplatz. Die internationale Verbindung nach Irún wird im Schienenverkehr aktuell ausschließlich durch das Schnellbahnsystem EuskoTren angeboten. Die Hauptstrecke der SNCF / ADIF besteht zwar zwischen den Grenzbahnhöfen Hendaye und Irún aus einem Normalspur- und einem Breitspurgleis, allerdings enden alle französischen Reisezüge derzeit in Hendaye und alle spanischen Reisezüge in Irún. Dafür bietet EuskoTren mit der Linie E2 einen 30-Minuten-Takt über die Grenze an. Der Ausbaustandard der meterspurigen EuskoTren-Strecke entspricht in weiten Teilen dem Standard einer U-Bahn, sodass das System inoffiziell auch als „Metro Donostialdea“ bezeichnet wird. In der Innenstadt von Donostia-San Sebastián wird durch die Überlagerung verschiedener Relationen ein dichter Takt angeboten. Unsere Ausstiegshaltestelle Irún-Colón nahe des RENFE-Bahnhofs erreichen wir allerdings bereits nach 5 Minuten Fahrzeit.



In Irún angekommen drehen wir nur eine kurze Runde zum Bahnhof und zu einem nahegelegenen Platz, an dem wir auf die Rückfahrt nach Hendaye warten.




Zurück in Hendaye warten wir auf den TGV in Richtung Paris, denn an dieser Stelle wechseln wir die Reiserichtung und orientieren uns nun nach Osten. Dort wartet heute noch ein bekannter Wallfahrtsort auf uns. Eigentlich gäbe es nach Lourdes um kurz nach 10:00 einen direkten IC, der wegen einer Baustelle heute jedoch erst in Bayonne beginnt. Dorthin bringt uns deshalb ein TGV Duplex. Auf dem Weg nach Bayonne verabschieden wir uns vorerst vom (atlantischen) Meer, bevor wir in den nächsten Tag dann auf das andere (mediterrane) Meer treffen werden. Zwischenzeitlich führt unsere Reise nun durch die Berge. Am Bahnhof Bayonne, der ebenfalls durch eine Baustelle nur eingeschränkt nutzbar ist, steigen wir um in den IC, der aus einem vierteiligen Coradia Liner gebildet wird.




Man beachte die Beschriftung der Fahrtrichtungen über den Torbögen.



Im Laufe der Fahrt nach Lourdes wird die Landschaft auf der südlichen Seite immer bergiger und das Wetter immer schlechter. Wir fahren zeitweise durch strahlende Sonne und zeitweise durch heftige Regenschauer. Natürlich hoffen wir, dass es in Lourdes nicht all zu nass würde. Dort haben wir einen Aufenthalt über 4 Stunden, da wegen Baumaßnahmen der TGV nach Tarbes um 15:00 ersatzlos entfällt und sich so zwischen 13:30 und 16:30 eine Angebotslücke auf der Strecke von Lourdes in Richtung Toulouse ergibt. Passenderweise wird auch der Bahnhof von Lourdes gerade umgebaut, sodass der Zug dort außerhalb der Bahnhofshalle recht weit vorne am Bahnsteig hält. Bei Ankunft in Lourdes ist das Wetter zwar trüb, aber noch stabil. Wir machen uns daher schnell auf zum heiligen Bezirk, der der Stadt ihren großen Pilgerzustrom beschert. Dabei bemerke ich, dass die Stadt mehrheitlich aus Hotels und Souvenirgeschäften besteht.

Wegen einer Baustelle hinter dem Fotostandpunkt halten die Personenzüge aber leider außerhalb.


In der Hauptsaison wären auch die vielen Rollläden nicht geschlossen.

An dieser Stelle in aller Kürze ein kleiner Exkurs zu den religiösen Hintergründen der Marienwallfahrt in Lourdes. Der Glaube daran sei jedem selbst überlassen. Im Jahr 1858 soll einem Mädchen namens Bernadette nahe der Grotte, auf der heute eine Kathedrale steht, mehrmals die Jungfrau Maria erschienen sein. Die hohen Geistlichen, die dem natürlich nicht ohne weiteres glauben wollten, haben ihr aufgetragen, die Erscheinung nach ihrem Namen zu fragen. Das Mädchen kam mit der Antwort zurück: „Die unbefleckte Empfängnis!“. Da Bauernkinder mit ihrem geringen Bildungsniveau nach Ansicht der hohen Geistlichen nicht dazu in der Lage waren, diese Worte aus der Bibel zu kennen, erkannten sie die Echtheit der Erscheinung an. Außerdem soll Bernadette in der Grotte eine Quelle freigelegt haben, deren Quellwasser heute heilende Kräfte und mehrere Wunderheilungen nachgesagt werden. Auch daran darf man glauben oder auch nicht. Besucher können das Wasser aus der Grotte jedenfalls im heiligen Bezirk aus mehreren Wasserhähnen zapfen, um es sich mit nach Hause zu nehmen. Auf der Grotte wurde später eine Basilika, gewidmet der Mariä Empfängnis, errichtet. Seitdem ist Lourdes einer der Standorte der europäischen Marienwallfahrt und zieht jährlich Millionen von Pilgern an, auch wenn Ende März davon noch nicht viele zu sehen sind. Der heilige Bezirk besteht heute auch aus weiteren Sakralbauten, teilweise sogar unterirdisch, um dem großen Ansturm an Pilgern die Teilnahme an heiligen Messen in verschiedenen Sprachen zu ermöglichen.
Die heilige Grotte besuche ich aus Respekt vor denjenigen, die tatsächlich einen tiefen Glauben damit verbinden, natürlich nicht. Statt dessen vertreiben wir uns die Zeit bis zur Weiterfahrt mit einer kleinen Wanderung. Zuvor werden wir an der Basilika noch von einem windigen Regenschauer überrascht.

im Hintergrund die Basilique de l‘Immaculée-Conception (Mariä-Empfängnis-Basilika)

Im Hintergrund befindet sich die Église de Sainte-Bernadette.



Beim Verlassen des heiligen Bezirks wird dann deutlich, wo der Glaube aufhört und wo das Geschäft damit anfängt. Zahlreiche Souvenirgeschäfte verkaufen Devotionalien und andere Artikel mit christlichem Bezug. Mein Favorit ist darunter ein Laden, in dem Kirchenmusik aus einem Lautsprecher schallt, um „festliche“ Stimmung beim Einkauf aufkommen zu lassen.

Unser Weg führt nun einmal quer durch die Stadt, wobei sich das Wetter dann leider einregnet. Davon unerschüttert machen wir uns trotzdem auf zu einer kleinen Wanderung auf dem Voie Verte des Gaves. Voies vertes („grüne Wege“) bezeichnen in Frankreich Bahntrassenradwege, die in der Regel auch durch Fußgänger genutzt werden können. Der Voie Verte des Gaves entstand auf der Trasse der ehemaligen Bahnstrecke Lourdes – Pierrefitte-Nestalas im Pyrenäen-Tal der Gave de Pau. Insgesamt steht Fußgängern und Radfahrern eine 19 Kilometer lange Trasse zur Verfügung; wir gehen aber nur bis zum Nachbarort Lugagnan, um dort mit dem Bus wieder zurück in die Stadt zu fahren. Gerade einmal eine halbe Stunde dauert die kurze Wanderung dorthin, allerdings sind wir am Ende völlig durchnässt vom vielen Regen. Unterwegs können wir die beeindruckende Berglandschaft der Pyrenäen daher leider nur erahnen. Nachdem wir uns eine Viertelstunde lang unter einer Brücke in Lugagnan untergestellt haben, suchen wir einen Weg zur Bushaltestelle. Die Haltestelle liegt zwar nur 10 Meter Luftlinie von uns entfernt an der Straße, es gibt aber keine direkte Verbindung vom Radweg unten zur Straße oben. Deshalb müssen wir nun erst einen kleinen Trampelpfad zwischen dem Radweg und der etwas höher gelegenen Straße bewältigen, um anschließend auf der Fahrbahn die rund 250 m zurück zu laufen. Das Wartehäuschen der Haltestelle bietet anschließend zwar Schutz vor dem Regen von oben, aber leider nicht vor dem Wind von allen Seiten. Glücklicherweise hört der Regen kurz vor der Ankunft des Busses auf und während der Fahrt in die Stadt kommt sogar die Sonne wieder heraus.







Die verbleibende Stunde an Wartezeit auf den Zug verbringen wir damit, die Kraft der bald wieder strahlenden Sonne zum trocknen unserer Oberbekleidung auszunutzen. Während der Wartezeit am Bahnhof sehen wir einen TGV leer durch den Bahnhof durchfahren. Möglicherweise ist diese Leerfahrt die Zuführung für die Folgeleistung des planmäßigen TGV um 15:03, mit dem wir eigentlich fahren wollten.
Mit dem nächsten IC, erneut einem vierteiligen Coradia Liner, fahren wir weiter nach Toulouse. Unterwegs kommen wir am Flughafen Tarbes-Lourdes-Pyrénées vorbei, der eher wie ein Flugzeugfriedhof anmutet. Hier stehen z. B. einige A380, die den Boden wohl nicht mehr verlassen werden. Außerdem bietet sich trotz des wechselhaften Wetters teilweise ein guter Ausblick auf die schneebedeckten Gipfel der Pyrenäen. Toulouse erreichen wir gegen 18:30 planmäßig. Wir beziehen Quartier im 8. Stock eines Hotels am Canal du Midi.






Am Abend sehen wir uns zum Abschluss des Tages die rosarote Stadt an. Der Name „ville rose“ rührt von den vielen Backsteingebäuden. Besonders in der Abendsonne kommt die namensgebende Färbung zur Geltung.





Während ich mich abends noch über die gute Aussicht aus dem Hotelzimmer freue, stellt sich die Lage nachts als suboptimal heraus. Denn die ganze Nacht pfeift ein lebhafter Wind am Fenster, der uns auch am nächsten Tag noch begleiten wird.