Im Vergleich zum Vortag können wir an Tag 5 „ausschlafen“ – allerdings nicht zu lange, denn heute möchten wir mit unserem Rail Pass erstmalig ordentlich Strecke machen. Unser Tagesziel ist eine der „drei schönsten Landschaften Japans“ und die befindet sich nahe der international bekannten Großstadt Hiroshima. Der Bahnhof von Hiroshima liegt auf der Schnellfahrstrecke etwas über 300 Strecken-Kilometer vom Shinkansen-Bahnhof Shin-Ōsaka entfernt. Dank des Shinkansen beträgt die Fahrzeit aber nur rund 90 Minuten.

Die Anzeige stellt übersichtlich dar, an welchen Stationen der Zug hält und an welchen nicht.
Von Shin-Ōsaka in Richtung Westen führt die San’yō Shinkansen, die zweite Schnellfahrstrecke in Japan. Nachdem die Tōkaidō Shinkansen von Tōkyō nach Ōsaka 1964 fertiggestellt wurde, bildet die San’yō Shinkansen deren logische Verlängerung entlang der dicht besiedelten Nordküste der Seto-Inlandsee. Die Strecke erweitert die 515 km lange Tōkaidō Shinkansen um weitere 553 km bis in die Stadt Fukuoka auf der südlichen Hauptinsel Kyūshū. Sie wurde in zwei Abschnitten bis 1975 eröffnet und ursprünglich mit maximal 230 km/h betrieben. Heute ist die Strecke in weiten Teilen mit 300 km/h befahrbar. Seit der Privatisierung der japanischen Staatsbahn JNR bildet der Bahnhof Shin-Ōsaka die Verwaltungsgrenze zwischen JR Central, die den Tōkaidō Shinkansen nach Tōkyō betreibt, und JR West, die für den San’yō Shinkansen nach Fukuoka verantwortlich ist. Dennoch gibt es zwischen beiden Strecken regelmäßige Durchbindungen von Zügen, sodass die gesamte Reise von Tōkyō nach Fukuoka in einem Zug (bei einer Reisezeit von rund 5 Stunden für 1.080 km) möglich ist. 2011 wurde die Strecke von der JR Kyūshū auf deren Insel abermals um 257 km verlängert. Die Kyūshū Shinkansen verbindet seitdem den Endbahnhof Hakata des San’yō Shinkansen in der Stadt Fukuoka mit der Stadt Kagoshima. Auch zwischen San’yō und Kyūshū Shinkansen gibt es Durchbindungen, wie z. B. unser Zug nach Kagoshima-Chūō beweist. Allerdings gibt es in der Verknüpfung zwischen Tōkaidō, San’yō und Kyūshū Shinkansen keine direkten Züge von ersterer zu letzterer Strecke. Reisende von Tōkyō nach Kagoshima müssen also immer mindestens einmal umsteigen (entweder in Ōsaka oder in Fukuoka).

Unser Zug ist ein Sakura. Wie bereits eingangs des Berichts erwähnt, werden Fernzüge in Japan i. d. R. mit einem Zugnamen und einer Zugnummer bezeichnet. Das trifft auch auf den Shinkansen zu. Auf den drei genannten Strecken verkehren verschiedene Linien, die sich in der Anzahl der Zwischenhalte unterscheiden. Die langsamsten Züge heißen Kodama (bzw. auf Kyūshū: Tsubame) und halten an allen Bahnhöfen. Schneller sind die Hikari (auf dem Tōkaidō Shinkansen) bzw. die Sakura (auf dem San’yō und Kyūshū Shinkansen). Die schnellsten Züge heißen Nozomi (Tōkyō – Ōsaka – Fukuoka) bzw. Mizuho (Ōsaka – Fukuoka – Kagoshima). Diese Züge sind sehr beliebt und daher für Inhaber des Japan Rail Pass nur mit einem Aufpreis nutzbar. Allerdings ist der Reisezeitunterschied zwischen den ganz schnellen und den mittleren Zügen vergleichsweise gering, sodass man auch mit dem Hikari und dem Sakura schnell voran kommt. Während die Linien, die auf der Tōkaidō Shinkansen verkehren, durchgehend mit 16-Wagen-Zügen der Baureihe N700 gefahren werden, kommen auf den anderen Linien 8-Wagen-Züge zum Einsatz. Neben der Baureihe N700 sind dabei noch die Baureihen 500 auf dem San’yō Shinkansen und 800 auf dem Kyūshū Shinkansen anzutreffen. Nachteil der 8-Wagen-Züge der Baureihe N700 ist der vergleichsweise kleine Bereich der 1. Klasse. Statt drei Green Cars in einem 16-Wagen-Zug steht dort nur ein halber Wagen zur Verfügung. Entsprechend sollte man für die Green Cars im Sakura und Mizuho etwas früher reservieren, um einen Wunschsitzplatz zu erhalten. Die Kodama auf dem San’yō Shinkansen verfügen nur vereinzelt über Green Cars.

Um 6:50 starten wir pünktlich in Shin-Ōsaka und bereits um 8:18 erreichen wir ebenso pünktlich nach 306 Kilometern den Bahnhof Hiroshima. Dort steigen wir um auf die alte San’yō Main Line.

Mit einer Doppeltraktion zweier baugleicher Züge setzen wir unsere Reise kurz darauf fort. Das Ziel ist die Insel Miyajima, die eine der „drei schönsten Landschaften Japans“ beherbergt. Da die Insel als Ausflugsziel beliebt ist, füllt sich unser Local auch entsprechend gut mit nationalen und internationalen Touristen. Die Insel hat keine direkte Verbindung zum Festland. Sie ist über eine Fähre erreichbar, die nahe des Bahnhofs Miyajimaguchi abfährt. „Guchi“ bedeutet in etwa „Eingang“, „Zugang“ oder „Zuwegung“. Miyajimaguchi heißt also „Zugang zu Miyajima“. Mit der San’yō Main Line dauert die Fahrt von Hiroshima dorthin ca. 30 Minuten.

Zwei Station vor Miyajimaguchi hält der Zug in Miyauchikushido. Dieser Bahnhofsname hört sich korrekt ausgesprochen sehr ähnlich zu Miyajimaguchi an. Deshalb weist eine automatische Ansage nachdrücklich darauf hin, dass sich an dieser Station noch nicht der Zugang zur Insel Miyajima befindet.


Das Terminal wird von zwei konkurrierenden Gesellschaften betrieben, die beide jeweils im 15-Minuten-Takt Überfahrten anbieten. Die Miyajima Matsudai Kisen einerseits gehört zur Unternehmensgruppe der Straßenbahn Hiroshima, deren längste Linie hier endet. Entsprechend sind kombinierte Tageskarten für die Straßenbahn und die Fähre erhältlich.

Die JR West Miyajima Ferry andererseits wird direkt von JR West betrieben. Damit ist eine Durchtarifierung mit dem Streckennetz der JR-Bahnen möglich. Im Japan Rail Pass ist die Nutzung der Fähre inkludiert.

Egal für welche der beiden Gesellschaften sich Besucher der Insel entscheiden: Der Besuch ist nur gegen Entrichtung einer Tourismusabgabe (Miyajima Visitor Tax) möglich. Mit 100 Yen (0,65 €) trägt jeder Tagestourist zum Erhalt der Natur und des kulturellen Erbes der stark frequentierten Insel bei. Die Bezahlung der Gebühr erfolgt vergleichbar zum Kauf einer Fahrkarte. An mehreren Automaten sind „Tourist Tax Tickets“ erhältlich, die bei der Fahrscheinkontrolle am Zugang zum Anleger eingesammelt werden.




Die Insel Miyajima heißt eigentlich offiziell Itsukushima. Sie wird aber allgemein Miyajima genannt, was in etwa „Insel des Schreins“ bedeutet. Im 19. Jahrhundert wurde vor dem größten Schrein der Insel dieses markante Torii gebaut, nachdem dort bereits über Jahrhunderte ein kleineres stand. Die Besonderheit: Der Wasserstand um das Torii ist stark von den Gezeiten abhängig. Bei Flut, so wie im Bild, scheint das Torii vollständig im Wasser zu schweben und Boote können es passieren. Bei Ebbe dagegen zieht sich das Wasser bis hinter das Torii zurück, sodass es „trockenen“ Fußes erreicht und durchschritten werden kann. Der Anblick des „schwimmenden“ Torii bei Flut gehört zu den „drei schönsten Landschaften Japans“, wobei ich die Übersetzung etwas unglücklich gewählt finde. Die englische Übersetzung „Three Views of Japan“ beschreibt es meiner Meinung nach besser. Es handelt sich nämlich um drei Landschaften (jap. sankei, wobei „san“ das Zahlenwort für „drei“ ist und „kei“ hier für „Landschaft“ steht), die von den Künstlern und Philosophen des 17. Jahrhunderts als besonders inspirierend bezeichnet wurden. 1915 hat ein Verlag per Wahl durch seine Leser eine neue Liste mit drei weiteren Landschaften, die als „New Three Views of Japan“ bezeichnet werden, heraus gegeben. Zudem gibt es auch je eine alte und neue Liste für Nachtansichten.
Wie dem auch sei: Der Anblick des schwimmenden Torii ist sehr beeindruckend! Bleibt noch die Frage zu klären, zu welchem Schrein das Torii gehört.

Auch die Gebäude des Itsukushima-Schreins stehen tideabhängig vollständig im Wasser oder eben nicht. Als Reisevorbereitung nach Miyajima empfiehlt sich eine vorherige Überprüfung des Gezeitenkalenders. An diesem Tag wurde der höchste Wasserstand gegen 11:00, also zum Zeitpunkt meines Besuchs, erreicht. Eine Woche später wäre zu dieser Zeit Ebbe.
Am späten Vormittag verlassen wir die Schrein-Insel und setzen wieder auf das „Festland“ der Hauptinsel Honshū über.




Während die JR-Fähre in Richtung Miyajima tagsüber einen Bogen macht, um nahe am großen Torii vorbeizufahren, erfolgt die Überfahrt bei Nacht sowie in der Gegenrichtung immer auf gerader Linie. Wie bei der Vorstellung der Fährgesellschaften bereits kurz angesprochen, ist das Fährterminal von Miyajimaguchi nicht nur über die JR-Strecke, sondern auch über die Straßenbahn Hiroshima an die Stadt angebunden. Die Linie 2 der Straßenbahn, die Miyajima Line, hat gegenüber des Fährterminals ihren Endpunkt.

„Hiroden“ ist die Abkürzung für „Hiroshima Dentetsu“, also „Straßenbahn Hiroshima“.
Die Bezeichnung „Station“ ist für die Endhaltestelle formal korrekt: Offiziell wird die Linie 2 zwischen Miyajimaguchi und Nishi-Hiroshima („Nishi“ bedeutet „Ost“) als Eisenbahn unter der Bezeichnung „Hiroshima Electric Railway“ betrieben. Auch in Japan werden schienengebundene Verkehrssysteme in Eisenbahnen mit signalgeführtem Betrieb und Straßenbahnen, die auf Sicht fahren, unterschieden. Die Linie 2 fährt vom Endbahnhof Miyajimaguchi bis Nishi-Hiroshima signalgeführt und geht dort in den Straßenraum über. Zum Einsatz kommen daher auch auf der Eisenbahnstrecke ausschließlich Straßenbahn-Fahrzeuge.

Tariflich wird die Straßenbahn in Hiroshima ähnlich betrieben wie die anderen Busse und Straßenbahnen, denen wir bisher begegnet sind: Bezahlt wird ein Pauschalpreis beim Aussteigen. Der Einheitspreis von 240 Yen (1,50 €) gilt auch der gesamten Eisenbahnstrecke, d. h. zu diesem Preis kann man, entsprechend viel Zeit vorausgesetzt, direkt vom Hauptbahnhof Hiroshima (dem anderen Endpunkt der Linie 2) bis Miyajimaguchi durchfahren. Um den Fahrgastwechsel in den langen Gelenktriebwagen zu beschleunigen, hat die Straßenbahn Hiroshima allerdings eine Besonderheit, die in Europa längst der Vergangenheit angehört:

Auf den Zügen der Linie 2 fährt an der in Fahrtrichtung letzten Tür ein Schaffner mit. Fahrgäste können dadurch an zwei Türen aussteigen und bezahlen, entweder beim Fahrer oder beim Schaffner. Sofern sich die Fahrgäste gut verteilen, können die Haltezeiten an den Haltestellen dadurch kurz gehalten werden. Haltezeiten ist allerdings ein gutes Thema, denn davon gibt es ganz schön viele. Allein auf der 16 Kilometer langen Eisenbahnstrecke liegen 20 Stationen und der Übergangspunkt auf die innerstädtische Straßenbahn in Nishi-Hiroshima hat trotzdem erst die Haltestellennummer M19 (mit dem Endpunkt am Hauptbahnhof Hiroshima als erste Station M1). Die gesamte Fahrt von Miyajimaguchi zum Bahnhof Hiroshima würde rund 70 Minuten für eine Strecke von 22 Kilometern dauern – ein Schnitt von gerade einmal 19 km/h, obwohl der längste Teil der Strecke als Eisenbahn betrieben wird. Die Local-Züge der JR San’yō Linie brauchen weniger als halb so lange. Deshalb ist die Straßenbahn nach Miyajimaguchi v. a. dann nützlich, wenn das Fahrtziel in der Innenstadt von Hiroshima liegt.

Zur Bedeutung des Haltestellennamens komme ich gleich noch… – bleiben wir für den Moment noch bei der Straßenbahn. Hiroshima hat heute mit 8 Linien das größte Straßenbahnnetz in Japan, allerdings mit einer Streckenlänge von gerade einmal 35 Kilometern, von denen die Eisenbahnstrecke nach Miyajimaguchi allein schon 16 ausmacht. Zum Einsatz kommen viele unterschiedliche Fahrzeugtypen, einige mit sehr hohem Alter. Der Betrieb wird daher auch gerne als rollendes Straßenbahnmuseum bezeichnet. Zeitweise waren auf dem normalspurigen Netz sogar deutsche Fahrzeuge im Einsatz, die aus Dortmund nach Hiroshima übergeben wurden.


Damit sind wir dann auch schon fast beim Thema. Hiroshima ist international bekannt für seine Geschichte als Ziel des 1. Abwurfs einer Atombombe auf eine Stadt im 2. Weltkrieg. Im Laufe des Krieges arbeitete die USA an der Entwicklung von Atomwaffen, konnte die erste einsatzfähige Bombe aber erst nach der Kapitulation der Nationalsozialisten in Europa fertigstellen. Daher wurde vom US-amerikanischen Präsidenten Harry Truman der Einsatz gegen Japan erwogen, um den Krieg auch im Pazifikraum möglichst schnell zu beenden. Die USA wollten verhindern, dass die Sowjetunion nach Ablauf eines zuvor geschlossenen Abkommens zum 8. August 1945 in den Krieg eingreift. Am 6. August 1945 kam es daher ohne Vorwarnung zum ersten Abwurf einer Atombombe über der Stadt Hiroshima, in der zu diesem Zeitpunkt japanische Truppen stationiert waren. Gegen 8:15 Ortszeit detonierte die Bombe über dem Stadtzentrum. Innerhalb weniger Sekunden starben bis zu 100.000 Menschen, die deutliche Mehrheit von ihnen Zivilisten, durch die Hitze und die Druckwelle der Detonation. Durch Folgeschäden kamen in den nächsten Tagen, Wochen, Monaten und Jahren bis heute geschätzt rund 250.000 weitere ums Leben, u. a. aufgrund der damaligen Kontamination der Umgebung mit radioaktivem Material. Drei Tage später, am 9. August, warfen die USA ihre zweite einsatzfähige Bombe über Nagasaki, einer Stadt auf Kyūshū, ab. Hier wird die kumulierte Zahl der Todesopfer bis heute auf rund 200.000 Menschen geschätzt. Ob der Einsatz der Atombomben gerechtfertigt war, wird bis heute kontrovers diskutiert. Die beabsichtigte Wirkung hatten sie jedenfalls erzielt, denn der japanische Ten’nō erklärte wenige Tage später das Ende des Krieges und Japan kapitulierte zum 2. September. Andererseits brachte sie bis dahin nicht denkbares und unfassbares Leid über die Opfer und deren Angehörige. Bis heute gelten die Abwürfe der Atombomben als Sinnbild des Schrecken des Krieges. In Japan wird den Opfern u. a. mit einem Friedenspark in Hiroshima gedacht.

Das Gebäude wird auch als Genbaku Dome bezeichnet. „Genbaku“ ist das japanische Wort für die Atombombe. „Dome“ wird das Gebäude wegen seines markanten Kuppeldachs genannt. Es ist nicht das einzige Mahnmal für die Opfer und den Schrecken des Krieges. Im Friedenspark brennt eine Friedensflamme, die erst erlischen soll, wenn alle Atombomben der Welt vernichtet wurden. Ein Friedensmusem macht das Ausmaß der Katastrophe sichtbar. Das folgende Bild und zugleich das einzige, welches zu diesem schweren Thema hier noch folgen wird, lasse ich als einziges in dieser Berichtsreihe einmal unkommentiert.

Obwohl die Stadt 1945 fast vollständig zerstört und radioaktiv belastet wurde, ist die Strahlung dort heute nicht höher als in anderen Gegenden des Landes und der Welt. Hiroshima wurde nach dem Krieg wieder aufgebaut und zählt heute mit über einer Million Einwohnern zu den größten Städten Japans.

Nach diesem sehr bewegenden Stadtrundgang kehren wir mit der Straßenbahn zurück zum Hauptbahnhof.

Die Linie 9 ist eine Zubringerlinie, die von der Umsteigestation Hatchōbori aus vier Haltestellen auf der Hakushima-dōri („dōri“ bedeutet „Straße“) anbindet. Vor der Einfahrt in die Umsteigehaltestelle wird im Fahrzeug durchgesagt, dass Fahrgäste zum Umstieg auf die anderen Linien ein „Transfer Ticket“ beim Fahrer erhalten können. Ich gehe zu diesem Zeitpunkt aber noch davon aus, dass der Umstieg über meine ICOCA-Karte automatisch abgerechnet wird, und steige ohne Umsteigerfahrkarte aus.

Mit der Linie 1 in die Gegenrichtung fahren wir weiter zum Hauptbahnhof. An der dortigen Endhaltestelle wird der Fahrgastwechsel durch den Einsatz von stationärem Personal zusätzlich beschleunigt: Vor den beiden Türen, die normalerweise nur dem Einstieg dienen, positioniert sich jeweils ein Fahrscheinkontrolleur mit einem mobilen Kontrollgerät. Damit können Fahrgäste an allen Türen aussteigen (die anderen beiden sind mit dem Fahrer bzw. dem Schaffner besetzt).





Die Bilder 5-30 – 5-33 können inzwischen jedoch als historisch betrachtet werden, denn…

Im Rahmen des Neubaus des südlichen Bahnhofsgebäudes von Hiroshima, ein mehrstöckiges Einkaufszentrums mit dem Namen „Miamoa“, wurde eine erhöhte Stadtbahntrasse in der Ekimae-dōri errichtet, die an einer mehrgleisigen Endhaltestelle direkt im Gebäude ankommt. Die neue Endhaltestelle wird die Umsteigewege zum Eisenbahnverkehr verkürzen (nur der Weg zum Busbahnhof ist dann etwas weiter).

Die Zulaufstrecken zur alten Endhaltestelle sind seit der Umstellung ohne Verkehr. Teile dieser Strecken sollen ab 2026 für eine neue Ringlinie genutzt werden.
Am Bahnhof prüfe ich an einem Fahrkartenautomaten, ob der Umstieg zwischen den beiden Straßenbahnen korrekt abgerechnet wurde. An den Automaten kann neben der Aufladung einer IC-Card auch eine Historie der letzten Fahrten eingesehen werden. Tatsächlich wurden mir drei Fahrten mit der Straßenbahn Hiroshima abgerechnet, obwohl ich eigentlich nur zwei Fahrten, davon eine mit einem Umstieg, absolviert habe. Trotz IC-Card erfolgt also keine automatische Bestpreis-Abrechnung und es wäre die Ausstellung einer Umsteigerfahrkarte durch den Fahrer der Zubringer-Straßenbahn notwendig gewesen, um die Anschlussfahrt nicht separat zu bezahlen.

Gegen 14:30 treten wir die Rückfahrt mit dem Shinkansen nach Ōsaka an, denn die Fahrt wird trotz Hochgeschwindigkeitszug recht lange – länger als eigentlich notwendig. Das liegt an einem besonderen Zugtyp, den wir auf dieser Fahrt nutzen möchten.

Die Baureihe 500 wurde 1997 in 16-Wagen-Verbänden für den Einsatz als Nozomi geliefert. Sie waren die ersten Züge, die auf dem San’yō-Shinkansen planmäßig mit bis 300 km/h eingesetzt wurden. Aufgrund der Kritik von Fahrgästen, die vergleichsweise schmalen Fahrzeuge seien in der typischen 3+2-Bestuhlung der 2. Klasse („Ordinary Cars“) sehr eng, wurde die Baureihe 500 mit der zunehmenden Auslieferung der Nachfolgebaureihe N700 vom Nozomi-Dienst zurückgezogen. Die 16-Wagen-Züge wurden auf 8 Wagen verkürzt und seitdem als Kodama auf dem San’yō-Shinkansen eingesetzt. Dort übernehmen sie bis heute einige Umläufe, die im Fahrplan gekennzeichnet sind. 2027 soll die Baureihe 500 endgültig ausgemustert werden.


Die Fahrt nach Ōsaka zieht sich. Nicht nur, weil der Kodama an jedem der Unterwegsbahnhöfe hält. Sondern auch, da an vielen dieser Bahnhöfe Überholungshalte für schnellere Züge vorgesehen sind. Teilweise stehen wir bis zu 10 Minuten, um gleich zwei andere Züge an einem Bahnhof vorbei zu lassen. Deshalb ist es auch gar nicht so leicht, an eine Reservierung für diesen Zug auf der Strecke Hiroshima -> Shin-Ōsaka zu kommen, denn der Fahrkartenautomat sucht standardmäßig nur nach den schnellsten Verbindungen und da scheidet der langsame Kodama aus offensichtlichen Gründen aus. Man muss erst in den Optionen auswählen, dass alle Verbindungen angezeigt werden sollen, um auch den langsamen Kodama reservieren zu können.

2 Stunden und 47 Minuten für 306 Kilometer entspricht einem Schnitt von knapp 110 km/h. Allerdings steht der Zug für insgesamt 55 Minuten an den 10 Zwischenhalten herum. Bei einer optimalen Trasse könnte der Kodama rund 40 Minuten sparen. Die Shinkansen-Fahrpläne sind jedoch nur bei den höchsten Zugkategorien Nozomi und Mizuho auf eine behinderungsfreie Durchführung der Fahrplantrassen ausgelegt. Die langsamen Züge dienen primär dem Verkehr zwischen den kleineren Stationen, sodass solche Wartezeiten in Kauf genommen werden. Wie auch immer: Wir genießen die entschleunigte Fahrt in der Schienenrakete, die trotz der Kritik an der Enge des Fahrzeugs und des etwas altbackenen Interieurs sehr ruhig und angenehm verläuft 🙂
Am nächsten Tag werden wir erneut früh aufstehen und mit dem San’yō-Shinkansen in die Ferne aufbrechen; dann sogar noch etwas weiter als heute. Der Shinkansen verändert einfach das Raum-Zeit-Gefüge 🙂